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BUGATTI BOLIDE

Editorial  

Von innen nach außen. Das ist Bugatti. Das Innen, das ist dieser Motor mit 16 Zylindern. Weil der bereits als ultimatives Kunstwerk verehrt und gefeiert wird, bleibt dem Rest der Angelegenheit eigentlich wenig Spielraum für wunderbar wilde Experimente. Zumindest war das unsere naive Einschätzung – bis dieser Bugatti Bolide vor uns stand. Ja, Freunde, so konsequent muss man es angehen, wenn man einem Motor eine Hommage widmet. Wir -haben mit Achim Anscheidt, Director of Design bei -Bugatti, dazu – und wie immer mit Freude – gesprochen.

B.I. Collection: Ohne Übertreibung lässt sich mit Blick auf den Bugatti Bolide feststellen: Wahnsinn! Wie viel Vergnügen liegt aus Sicht des Designers in einer solchen Verwirklichung?

Achim Anscheidt: Bevor ich mich an irgendwelchen stilistischen Merkmalen und Ausprägungen ergötze, ist die wichtigste Aufgabe, erst einmal zuzuhören. Zu verstehen, worum es bei einem Auto wie diesem überhaupt gehen könnte. Erst dann reagieren wir. Darin liegt meine Verantwortung und mein Anspruch an mein Team. Anders als in der Kunst muss Design immer von der Funktion her verstanden werden. Etwas, das man so mit Blick auf ein Kunstwerk als funktionslosen und eigenständigen Gegenstand nicht sagen würde. Designgegenstände – und jetzt blicke ich mal über das Auto hinaus – sind im Regelfall nicht für eine rein ästhetische Betrachtung geschaffen. Ästhetik und Gebrauch hängen hier anders zusammen als bei einem Kunstwerk. 

BIC: Dennoch ist der Zusammenhang zwischen Kunst und Auto bei keiner Marke so ausgeprägt wie bei Bugatti. 

AA: Das stimmt. Aber es ist nicht richtig, anzunehmen, dass der Pinselstrich die Firma definiert, weil der Begriff der Kunst in der Marke Bugatti verankert ist. Das nehmen viele Menschen an, ist aber nicht der Fall. Vor hundert Jahren wie auch heute wieder ist der Motor nach wie vor der absolute USP dieser Marke. Ich kann so viele Designpräsentation abhalten, wie ich möchte  – wir wären heute nicht hier, wenn es diesen Motor nicht gäbe. Und das ist auch die Quintessenz des Projekts Bolide. Wohl wissend, und ich bin jetzt schon 16 Jahre bei Bugatti, dass wir immer um diesen Motor herumgearbeitet haben. Mit dem Bolide treiben wir das auf die Spitze, weil es eine einmalige Chance war, diesen Motor wirklich völlig frei laufen zu lassen.

BIC: Kein Pinselstrich?

AA: Kein Pinselstrich. Und es ist auch nicht durch eine schöngeistige Idee definiert. Stattdessen ist da ein Künstler, der es vermag, zuzuhören. Ein Künstler, der erst mal begreifen möchte, was für ein Potenzial diese Idee birgt, um von der Idee aus seine Kunst zu verwirklichen. Das ist die Expertise von Bugatti Design: technische Zusammenhänge zu begreifen und daraus am Ende ein Kunstwerk zu schaffen. Und auch nicht zu fürchten, dass die Techniker ein Projekt übernehmen und man als Designer nicht mehr zum Zuge kommt. Nein, im Gegenteil, man muss aus den Technikern erst mal 110 Prozent herauskitzeln und dann sehen, wie man daraus in seiner Stilistik, Gestaltung und Markenwahrnehmung ein Kunstwerk kreieren kann. 

BIC: Was waren die Herausforderungen?

AA: Zu erfassen, dass das Projekt in seiner aerodynamischen Grundstruktur ganz anders funktioniert als ein Bugatti Chiron. Beim Chiron gingen wir viele Kompromisse ein, um daraus dieses interessant-ambivalente Konstrukt eines ultimativen Gran Turismos zu erschaffen. So ist es mit dem Chiron eine Wohltat, von Stuttgart nach Rom zu fahren. Nun befanden wir uns aber zum ersten Mal in der Lage, kompromisslos auf reine Funktionalität hinzuarbeiten. Das war mit Sicherheit die größte Herausforderung, da stockte mir zugegebenermaßen ab und an der Atem. 

BIC: An welchen Stellen lässt sich das konkret fest-machen?

AA: Nehmen wir den sehr offen gestalteten Vorderwagen: Der besteht eigentlich nur aus Löchern – wie ein Schweizer Käse. Aber jeder Quadratzentimeter ist in seiner Funktion bestimmt. Und sie sind ganz anders belegt als beim Chiron. Da hat keine einzige Luftanströmung mehr dieselbe Funktion wie beim Chiron. Die führt in andere Kanäle, um entweder spezielle Radiatoren zu belüften, um das Monocoque anders zu umströmen – oder um die Intercooler hinter dem Monocoque anzuströmen. Das ist schon bemerkenswert. Und die Kombination mit dieser X-Grafik, die ja sehr opulent und direkt ins Gesicht springt, unterstreicht die Attitüde dieses Experiments.

BIC: Und der Name Bolide? 

AA: Mal unter uns, am Anfang favorisierten wir den Namen «X-16» – Experiment with a W-Sixteen-Engine. Aber das war Stephan Winkelmann etwas zu militärisch und kurz. Er mag einfache, klare Namen, siehe Murciélago, Aventador, Huracán und Gallardo. Kann ich auch gut verstehen. Er gibt gerne zu: «Ich stehe auf wirkliche Namen.» Also kamen wir auf Bolide. 

BIC: Das sollten wir also besser nicht schreiben?

AA: Das ist mir egal (lacht). 

BIC: Immerhin transportiert es Stephan Winkelmanns Vorstellungen sehr schön.

AA: Schreibt es gerne so. Ich habe kein Problem damit. Was Stephan Winkelmann für Lamborghini getan hat und jetzt sicher wieder tun wird, ist beeindruckend. Darüber hinaus bin ich ihm sehr dankbar dafür, was er mir bei Bugatti alles ermöglichte: Divo, La Voiture Noire, Centodieci, jetzt den Bolide, dazu die Derivate Pure Sport und Super Sport 300+ des Chiron, das geht alles direkt auf ihn zurück.

BIC: Eine erstaunliche Vielfalt.

AA: Und wir gingen das sehr planvoll an. Als Stephan Winkelmann 2017 zu uns kam, hatten wir alles einmal vorgestellt, teilweise sogar schon die Namen – Divo, La Voiture Noire, die standen schon damals fest. Die anderen entwickelten wir über den Prozess. Neben den Modellen beschlossen wir, vor allem die Motorshows in Genf und Pebble Beach mit einem Highlight zu besetzen. Diesen Plan haben wir in den vergangenen Jahren abgearbeitet – und zwar zu fast 90 Prozent. Da waren wir ziemlich radikal in der Konsequenz. 

BIC: Wie groß ist gerade hier die Gefahr, es zu übertreiben?

AA: Natürlich ist das Coach-Building etwas, das bei Bugatti eine Renaissance erlebte. Aber ich glaube, dass man mit Augenmaß spielen muss. Das wissen wir auch. Wenn man nur noch Coach-Building anbietet, wird es irgendwann Standard, ist nicht mehr speziell und hat in den Sammlungen unserer Kunden keinen besonderen Wert mehr.

BIC: Vor der aktuellen Veränderung des Autos und vielleicht auch seiner Bedeutung ganz generell: Wird es in Zukunft für solche Ideen noch Raum geben? Oder wird es gerade deshalb diesen Raum geben?

AA: Ich glaube, dass es in der Phase der Technologieentwicklung, in der wir uns befinden, auf der einen Seite interessant ist, dass Bugatti an einer Art Front mitentwickelt und mitdenkt. Aber ich glaube auf der anderen Seite, dass es in dem Bestreben, Bugatti Kunden nicht aus den Augen zu verlieren, den Respekt davor gibt, was unsere Sammler als Wert in ihrer Sammlung haben möchten. Und das könnte eben der letzte Superlativ, der Verbrenner sein, oder ein Verbrenner plus eine Art von Hybrid. Zumal wir uns doch alle noch gut erinnern: Mitte der 1970er-Jahre, als die Quarzuhr um die Ecke kam, dachte jeder: Wer braucht denn in Zukunft noch mechanische Uhren? Das war im Grunde der Startschuss für den Erfolg mechanischer Uhren und Marken wie Patek Philippe oder Rolex. Das sind Bewegungen, die wir auch im Automobilbau sehen. Die Wertigkeit dieser mechanischen Juwelen wird immer etwas sein, das Menschen schätzen. 

BIC: Das zu denken, was sonst keiner zu denken wagt?

AA: In der Art. Der Gedanke: What if? Was wäre, wenn? Es finden sich immer Menschen, die genau das wertschätzen. Das ist kein Appell an die Ewiggestrigen, sondern an ein Verstehen von Menschen, die Werte in ihre Familie bringen möchten und diese auch nach zwei, drei oder vier Generationen erklären können: «Das war State of the Art in 2020. Schaut Euch das an.»

BIC: Gilt das auch für den jungen Kunden von Bugatti?

SB: Die Kunden, die sich mit der Marke Bugatti sehr gut auskennen, egal wie alt, erfassen sofort, dass es nicht so einfach und banal ist, beispielsweise einen voll elektrifizierten Bugatti zu bauen. Das wäre ein bisschen «me too», und das ist Bugatti nie. Niemals. Unsere Bestandskunden würden da nie unterschreiben. Und die Jüngeren, die sich eindringlicher mit der Marke Bugatti befasst haben, unterschreiben das mittlerweile auch nicht mehr, weil sie wissen, was die Würze der Marke Bugatti ausmacht. Nur Kunden, die plötzlich in der Lage sind, sich einen Bugatti zu leisten, sich aber mit der Marke nicht auseinandergesetzt haben, mögen sagen: «Ja, Bugatti müsste auch ein vollelektrisches Auto anbieten, das auch doppelt so viel PS haben muss.» Nur: So funktioniert es meines Erachtens in der heutigen Zeit nicht. Selbst wenn wir etwas machen würden, das dreißig Prozent mehr Effizienz als andere hätte, bedeutete das nur, dass morgen oder übermorgen alle nachziehen würden. Das ist nicht unser Anspruch.

BIC: Ein bisschen naiv formuliert, steht Bugatti für größtmöglichen Luxus. Was für ein Luxus-Verständnis liegt der Marke zugrunde?

AA: Der Luxus der Marke Bugatti wird leider oft mit «überschwänglich» oder «prahlend» verwechselt. Das entspricht ganz und gar nicht meinem Verständnis. Für mich ist der Luxus der Marke Bugatti einer, der tatsächlich aus dem Inneren kommt, aus der Wertschöpfung unserer technischen Superlative, die sich nach außen tragen, inklusive Design. Das hat nicht nur etwas mit dem USP des Motors und des Antriebsstrangs zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie wir Autos fabrizieren und mit welcher Wertigkeit wir in Molsheim Autos zusammenfügen. Es hat etwas damit zu tun, wie wir das Anwesen pflegen und wie wir mit unseren Kunden korrespondieren. Das ist eine Liebe von innen heraus, etwas, das der Kunde entdeckt und woran er sich erfreuen kann. 

BIC: Wenn wir in zwanzig Jahren auf diesen Motor zurückblicken, was werden wir denken?

AA: Das Gleiche wie heute. Wir werden uns in Dankbarkeit vor Ferdinand Piëch verneigen, der so mutig war, so ein Triebwerk eigenständig und relativ starrköpfig zu entwickeln und es nicht als Rennauto laufen zu lassen, sondern diese Ambivalenz zwischen «Beauty and Beast» zu schaffen. Das erfordert enorme Weitsicht. Jeder zweite Ingenieur hätte sich hinreißen lassen, mit diesem Monster von einem Motor alles und jeden auf der Rennstrecke niederzufahren. Aber Piëch hat gesagt: «Kommt, wir machen etwas ganz Eigenes, ein Auto, mit dem man ganz cool mit seiner Frau vor die Oper fahren kann. Nicht mit Krach und Krawall, sondern souverän.» Diese zwei Charaktere, Dr. Jekyll und Mr. Hyde, in einem Auto zu entwickeln, davor ziehe ich heute noch meinen Hut und werde das auch in Zukunft immer wieder tun.


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