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Editorial  

Von Tinguely über Hells Angels zu Ferraris:
Heinz Wehrli und Elsa Hotz sind Sammler aus Freundschaft.

Fotografie: Sven Germann

Das Haus, in dem Heinz Wehrli und Elsa Hotz leben, ist nicht nur Wohnraum, sondern auch Ausstellungsfläche – drinnen wie draussen. Präsentiert werden unter anderem Kunstwerke von Tinguely, Niki de Saint Phalle, Mario Merz und François Morellet, aber auch Kunstobjekte der etwas anderen Art – respektive der ganz spezifischen Ferrari-Art: ein 330 GTC, ein Daytona, SA Aperta, F12 TDF, La Ferrari, ein 488 Pista und ein F40. Und eine sorgfältig kuratierte Bibliothek. Ein ganz persönliches Museum und eine beeindruckende Lebenswelt. Dabei spielt für Heinz und Elsa Prestigedenken überhaupt keine Rolle, denn ihre kunstvollen Schätze stehen für die freundschaftlichen Beziehungen zu ihren Mitmenschen. Sie sammeln vor allem Werke von Künstlern, die sie in ihrem Leben begleitet haben und sie meistens auch persönlich kennen. Diese natürliche Nähe zu Kunst und Künstlern bekamen beide in ihrem Elternhaus vermittelt: Heinz baute bereits im Alter von 14 Jahren den Dachstock aus, um die Wände mit Gemälden von holländischen und französischen Malern aus dem 19.Jahrhundert, die sein Vater sammelte, zu schmücken. Und auch Elsa wuchs mit einem entsprechend prägenden Vater auf: Der Architekt und Kunstsammler beher­bergte oft Künstler bei sich zu Hause. Besonders mit Tinguely war er eng befreundet. So hatte dieser sogar sein eigenes Zimmer im Haus der Familie – wenn er aus Paris zu Besuch kam – und liess sich gerne von Elsas Mutter bekochen. Elsa steht dem Kochtalent der Mutter übrigens in nichts nach: Ihr französischer Apfelkuchen ist exquisit. Aber auch andere Künstler gingen bei der Familie Hotz ein und aus. Die illustre Gesellschaft traf sich oft an Veranstaltungen und kleinen Feierlichkeiten. Elsa und später auch ihr Ehemann Heinz packten jeweils unzimper­lich mit an und unterstützten, wo man sie brauchte – egal, ob als Servicekräfte, in der Küche oder im Garten.

Emanzipation vom Elternhaus
Neben diesem frühen Kontakt zur Kunstszene pflegte Elsa auch ihre eigene kreative Ader. Die Kunstgewerbeschule oder auch eine Ausbildung zur Architektin, womit sie in die Fussstapfen ihres Vaters getreten wäre, waren lange Zeit bevorzugte Optionen, bis sie schliesslich ihr Interesse für Biologie entdeckte und den Weg in die Medizin einschlug. Als frischgebackene Oberärztin war aber die Leidenschaft für Kunst keineswegs erloschen: Mit den ersten vier Monats­löhnen leistete sie sich sogleich und stolz eine Skulptur von Niki de Saint Phalle. Auch Heinz ging seinen eigenen Weg, indem er sich – im Gegensatz zu den Eltern – für moderne, insbesondre konstruktive Kunst zu interessieren begann. An einer noch heute bekannten Ausstellung im Kunstgewerbemuseum kaufte er ein Kunstwerk von Anton Stankowski, dem Vater der Schweizer Gebrauchsgrafik. Die erste Kunst im eigenen Besitz kostete ihn gerade mal 50 Franken. Und dennoch reichte das Geld nicht dafür aus, das Bild rahmen zu lassen. Darum konstruierte Heinz kurzerhand selber einen Rahmen – mit zu knapper Bemessung und Spuren des Nachjustierens. Und genauso hängt es auch heute noch bei ihnen zu Hause.

Fotografie: Sven Germann

Eins, zwei oder drei
Über die Jahre hinweg haben sich drei wichtige Eckpfeiler in Elsas und Heinz’ Sammlung herauskristallisiert: Zum einen die konstruktive Kunst, die aus Zürich heraus weltweit entstanden ist und für die sich Heinz schon früh interessiert hat. Zum anderen die revolutionäre Arte Povera, welche für eine Aufhebung von ikonografischen Konventionen und traditioneller Symbolsprache steht: Banales oder Alltägliches wird zum Kunstwerk, wobei die Armut des Materials sowie die Armut der Mittel und Wirkung wichtig sind.

Und nicht zuletzt die Neon-Kunst, welche mit sinnlicher Strahlkraft und Signalwirkung den Betrachter in den Bann zieht. Ihre Nähe zur Technik wie auch zum Künstlichen, zur Warenwelt, zu Pop und Werbung wirkt faszinierend. Für Elsa und Heinz kommen sich Physik und Metaphysik selten so nah in der Kunst wie im Neon-Kunstwerk. Allen drei Stilvorlieben bleibt gemein, dass sich Elsa und Heinz die jeweiligen Kunstwerke personenbezogen aussuchen – völlig unabhängig von dem, was man eigentlich sammeln müsste, wenn es um spekulative Aspekte ginge. Die Sympathie zum Künstler und dessen Philosophie stehen immer im Vordergrund. Vielleicht haben sie auch deswegen noch nie ein Kunstwerk wieder verkauft, sondern nur sehr ausgewählt verschenkt.

Dieser Devise folgend ist es verständlich, dass sich in der Sammlung von Elsa und Heinz auch weniger berühmte Kunstwerke befinden. Denn neben dem schon fast zur Showbühne gewordenen Kunstmarkt, auf dem die Galerien den Takt angeben, gibt es auch Künstler, die zwar weniger Erfolge ­verbuchen können, aber dennoch überzeugen: So habe es beispielsweise ihr damaliger Trauzeuge – ein ehemaliger Rocker und Hells Angel – trotz grossem technischem Können im Umgang mit Stahl, Glas, Gips, Stein und Polyester nie geschafft, international erfolgreich zu werden. «Jeannot ­Tinguely im Gegensatz dazu ist weltberühmt geworden mit seinen Werken, obwohl er technisch eher chaotisch war. Seine sprudelnde Art und seine explosiven Ideen hatten wohl das gewisse Etwas», stellen Elsa und Heinz fest.

Fotografie: Sven Germann

Ein glamouröser Zirkel
Von Jeannot Tinguely besitzen Elsa und Heinz selbstver­ständlich auch Kunst: Eine kinetische Skulptur, mit ihren ruckelnden, alles andere als perfekt funktionierenden ­Mechaniken, die sie sich selber zur Hochzeit geschenkt hatten, steht in ihrem Garten. «Sie erinnert uns daran, dass sich alles in stetiger Veränderung befindet, und nimmt uns gleichermassen gefangen im Moment des Zufalls der Betrachtung», erklärt Elsa. Und obwohl ­Tinguely für ihr Empfinden zu stark vermarktet worden sei, war er für sie auch immer noch ein Künstler zum Anfassen geblieben, fügt sie hinzu. Ähnlich verhält es sich auch mit anderen Berühmtheiten, die Elsa und Heinz auf eine ganz natürliche und selbstverständliche Weise persönlich kennenlernen durften, wie beispielsweise Eva Aeppli, Niki de Saint Phalle, Max Bill oder Pipilotti Rist, welche sie erst kürzlich besuchte. Das Namedropping vom Anfang des Artikels wurde nun hier also nochmals getoppt. Braucht es so viel Glamour im Leben? Nein, denn das spielt weder für Elsa noch Heinz eine Rolle. Ihnen geht es um die Freundschaft und ihre persönliche Beziehung zu den Menschen. So erinnern sie sich beide auch noch sehr genau und mit Freude daran, als Luca di Montezemolo ihnen nachts auf dem Petersplatz, als sie von der Mille Miglia ankamen, persönlich die Hand schüttelte und sie zum Rennerfolg beglückwünschte.

Heinz möchte in Zukunft – nach seiner aktiven Berufszeit – wieder wie früher an Rennen teilnehmen und historische Bergrennen fahren. Diese seien laut ihm vor 30 Jahren eingeschlafen, nun aber wieder im Aufkommen. Und er möchte auch selber wieder an seinen Ferrari Classic Cars schrauben. Er ist begeistert von der Garage seines Freundes. Dieser könne mit seinem enzyklopädischen Fachwissen und enorm gut sortiertem Ersatzteillager mühelos einen Daytona oder SWB aus Ersatzteilen zusammenbauen. «Mich würd­e inte­ressieren, was man heute noch an der alten Handwerkskunst verbessern könnte – beispielsweise mit neuen Materialien und Methoden. Ich würde gerne alte Ferraris mit technischer Logik reparieren lernen, wenn etwas nicht läuft», schwärmt und erzählt Heinz. Ob sein Geschick dem des technisch begabten Trauzeugen oder eher des chaotischen Tinguely gleicht, gilt es abzuwarten.


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