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Duo infernale

Editorial  

Die Erfolgsgeschichte der Traditionsfirma Pichler –
oder wie gut zwei ungleiche Brüder zusammenarbeiten.

Fällt der Name Pichler, dann leuchten die Augen von versierten Autoliebhabern. Die Traditionsfirma Pichler GFG AG in Feutersoey, in der Nähe von Gstaad, vertritt offiziell die Marken Mercedes-Benz, Porsche sowie Bugatti und ist für ihr exklusives Angebot weit bekannt. Wer vor Ort die verschiedenen, grosszügigen Ausstellungsräume betritt, kriegt einiges zu sehen: Da stehen Nachkriegs-Ikonen wie der Mercedes-Benz 300 SL Flügeltüren von 1955, der Inbegriff des Sportwagens – der Porsche 911 2.7 RS Leichtbau von 1973 – sowie drei der schönsten Ferrari-Modelle aus den 1960er Jahren: der 250 GT SWB (1961), der 250 GT Lusso (1964) und der 275 GTB/2 (1966). Aber auch neuere Modelle wie der brandneue Porsche 911 (991) Speedster, der Ferrari 812 Superfast sowie der Überflieger-Sportwagen, der Bugatti Chiron mit 1’500 PS, sind zu bestaunen.

Zum Zeitpunkt unseres Besuchs restaurieren in den modern ausgerüsteten Werkstätten erfahrene Klassikspezialisten einen Ferrari 275 GTB. Daneben steht ein Porsche 356 und wartet auf seine Inspektion. In der Sitzecke, die etwas von einer Bibliothek und einer Gentlemen’s-Club-Zigarrenlounge hat, treffen wir auf die Brüder Erich und Othmar Pichler. Zusammen haben sie das Unternehmen in den 1980er Jahren gegründet und zum heutigen Erfolg geführt.

DER «ZAHLENBIEGER»
Nach eigenen Aussagen entdeckte Erich Pichler als Jugendlicher seine Vorliebe für Zahlen und füllte bereits mit 13 Jahren die Steuererklärung seiner Eltern aus. Othmar Pichler hingegen interessierte sich weder fürs kleine noch fürs grosse Einmaleins. Er schaute lieber Autos an. Als -Jugendlicher absolvierte er dann passenderweise eine Ausbildung zum Karosseriespengler.

Die beiden Brüder verbrachten viel Zeit im Restaurant Rössli in Feutersoey – schliesslich arbeitet dort ihre Mutter als Serviceangestellte. Othmar Pichler erinnert sich noch heute gerne an den Moment, als er im Rössli per Zufall auf den bekannten Autosammler Albert Obrist traf. Er fasste all seinen Mut zusammen und fragte ihn, ob er einmal seine imposante Autosammlung bestaunen dürfe. Es blieb dann aber nicht nur bei der Besichtigung. Othmar Pichler wurde mit der Pflege und dem technischen Unterhalt sämtlicher Fahrzeuge betraut. Kurze Zeit später übernahm sein Bruder Erich sämtliche kaufmännischen Tätigkeiten für die Fahrzeugsammlung. «Mein Stundenansatz war schon damals höher als der von Othmar», erzählt Erich mit einem schelmischen Lachen. Othmar entgegnet sogleich, dass die ersten gestellten Kundenrechnungen alleine auf sein ausgeprägtes handwerkliches Geschick zurückzuführen gewesen seien. Beide lachen heute, wenn sie zugeben, dass sie eigentlich 30 Jahre lang im Clinch lagen.

Foto: Pierre Khim-Tit

PICHLER CARS
Aus der Tätigkeit der beiden Brüder entstand im Jahr 1986 vorerst die Firma Pichler Cars: eine Doppelgarage in Feutersoey mit einem Fahrzeuglift. Dort reparierte und restaurierte Othmar die schönsten und schnellsten Fahrzeuge der Zeitgeschichte. Dazu gehörten zwei Ferrari 250 GTO (mit Jahrgang 1962 & 1964), der wunderbare Ferrari 330 P aus dem Jahr 1964 und der Ferrari 312 PB von 1972. Für letzteren reiste Othmar damals sogar nach Modena, um gemeinsam mit Spezialisten aus dem Werk Restaurationsarbeiten auszuführen. Der getätigte Aufwand war gerechtfertigt, schliesslich handelte es sich um das Fahrzeug, das in Daytona/Brands Hatch/Spa/Zeltweg/Monza und am Nürburgring gewonnen hatte. Die Sportwagen-Meisterschaft wurde damals, in den Jahren 1972/1973, von Ferrari und den Fahrern Ickx/Andretti/Regazzoni und Redman dominiert.Zu Pichler Cars Kunden zählte schon bald auch der bekannte Unternehmer und spätere Besitzer des Hotels «Le Grand Bellevue», Thomas Straumann. Er gab den Brüdern seine Porsche-Sammlung in die Hände. Durch den kontinuierlichen Anstieg von weiteren betreuten Fahrzeugen von nationalen und internationalen Kunden erfolgte dann eine Erweiterung der Räumlichkeiten, und zusätzliche Mitarbeiter wurden eingestellt. Die Pichlers schlüpften zudem in die Pionierrolle, indem sie als eine der ersten Garagen mit dem Storage von Fahrzeugen starteten.

VON PICASSO BIS ZUM OLYMP
Im Jahr 1996 übernahmen die Pichlers die Vertretung der zu einem Konzern gehörenden Marken Chrysler Jeep und wagten damit den Schritt in die moderne Autowelt. Der riesige Merger zwischen Daimler und Chrysler zum Gigan-ten DaimlerChrysler erwies sich dann als Glücksfall. Für den Konzern war der Grössenwahn des damaligen Daimler CEO Jürgen Schrempp zwar ein Flopp, aber für die beiden Brüder ein Segen, denn sie wurden dadurch im Handumdrehen offizieller Mercedes-Benz-Händler. Zeitgleich eröffneten die Brüder zu Beginn des Jahres 2000 das erste grosszügige, moderne Autohaus im Berner Oberland. Hierzu wurde ein damals einzigartiger, futuristischer -Metallbau erstellt. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch die Unterstützung von fünf Kunden, zu welchen ein freundschaftliches Verhältnis bestand. Noch heute sind Othmar und Erich allen Investoren der ersten Stunde dankbar – nicht zuletzt auch Claude Picasso, dem Sohn des Malers Pablo Picasso.

Nach 4 Jahren hartnäckiger Verhandlungen folgten im Jahr 2005 der Porsche-Servicevertrag und einige Jahre darauf der Bentley-Servicevertrag. Im Jahr 2009, als Krönung sozusagen, folgte schliesslich die Vertretung der prestigeträchtigen Automarke Bugatti.
Damit waren Erich und Othmar definitiv im Olymp des Autohandels angekommen.

Foto: Pierre Khim-Tit

NÄCHTLICHE KAUFVERHANDLUNGEN
Während unserem Besuch streunen wir eher durch eine Galerie als durch ein Autohaus. Die Wände sind behangen mit Erinnerungsstücken und Zeitzeugnissen aus 30 Jahren Automobilgeschichte. Gerne würden wir mehr über die namhaften Kunden erfahren, aber Erich und Othmar sind verschwiegen. Nach längerem Nachhaken gelingt es uns doch, ihnen wenigstens eine kurze Anekdote zu entlocken: Ein Kunde war Sonntagabend auf dem Nachhauseweg nach Gstaad, nachdem er seine Tochter in ein internationales Internat nach Villars gebracht hatte. Er machte Halt, um im beleuchteten Schaufenster der Pichlers einen wunderbaren -Ferrari 250 GT  Lusso zu betrachten. Der Mann stieg aus, liess den Motor laufen und den Schlüssel stecken. Dummerweise schlug er aber die Fahrertür zu und so stand er nach dem Bestaunen des wunderbaren Fahrzeugs vor seinem laufenden und verschlossenen Jeep Grand Cherokee V8. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Erich Pichler anzurufen und um Hilfe zu bitten. Dieser erklärte spasseshalber, dass er sich zu dieser späten Stunde nur für ernsthafte Kaufverhandlungen zur Garage begebe. Zu Erichs Erstaunen hielt aber der Anrufer tatsächlich sein Wort und kaufte den Ferrari 250 GT Lusso. Das Fahrzeug befindet sich noch heute im Eigentum des nächtlichen Käufers.

IM GEGENSÄTZLICHEN LIEGT VIEL ANTRIEBSKRAFT
Die tiefen technischen Fahrzeugkenntnisse, die entsprechenden Dienstleistungen, die langjährige Erfahrung und die internationalen Beziehungen sind unverwechselbare Merkmale der Pichler GFG AG. Der Erfolg der Brüder Pichler liegt aber auch in deren Warmherzigkeit und Natürlichkeit begründet, welche aus Kundenbeziehungen langjährige Freundschaften entstehen liessen.

Das Fundament dafür bilden die sich ergänzenden, unterschiedlichen Fähigkeiten der beiden und natürlich auch der familiäre Zusammenhalt – in guten wie auch in harten Zeiten.

Erich und Othmar Pichler haben sich entschieden, frühzeitig die Nachfolge zu regeln und die Zukunft ihrer Firma mitzugestalten. Beat Imwinkelried hat mit seiner Firmengruppe die Pichler GFG AG in Feutersoey bei Gstaad rückwirkend auf den 1. Januar 2020 übernommen. Er möchte die Pichler GFG AG im gleichen Stil und mit der gleichen strategischen Ausrichtung wei-terführen – insbesondere in Bezug auf die bisherigen Marken Bugatti, Mercedes-Benz und Porsche sowie das Service-Angebot im Klassikbereich und in der Lagerung von Fahrzeugen.


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