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Der Chirurg

Editorial  

Lebenswerk: Antonio Costantini,
die Geschichte des Motorenflüsterers
des Cavallino rampante aus Zürich.

Fotografie: Sven Germann

And the Oscar goes to… in der Kategorie Lebenswerk –Antonio Costantini. Dieser besondere Gedanke schwebte bei unserem Besuch in Antonios neuem Atelier in der Luft. Genauso wie unzählige Erinnerungsstücke, selbsthergestellte Werkzeuge, Fotos, Zertifikate und zahlreiche Zeitungsartikel aus seiner Zeit als einer der besten und bekanntesten Ferrari-Restauratoren der Schweiz. Seine ehemalige Werkstatt, die er seit 1989 an der Badenerstrasse hatte, musste er schliessen, da das Gebäude abgerissen wurde. Aber ganz aufhören – von heute auf morgen – kann Antonio auch nicht einfach so. Das Reparieren von Old­timern der Marken Ferrari, Lamborghini und Maserati war und ist nun mal ein Leben lang seine grosse Leidenschaft. So richtet er sich ein neues, kleines Atelier ein – ein Begegnungsort für enge Freunde und für lebendige Erinnerungen – denn Antonio sprüht vor Wissen, Passion und Geschichten, und seine 80 Jahre merkt man ihm überhaupt nicht an!

Schon als Kind wollte Antonio lieber mit den Händen an Autos schrauben, als die Schule weiter zu besuchen, wie es sein Vater eigentlich für ihn vorgesehen hatte. Seine Mutter unterstützte ihn bei seinem Wunsch und half ihm, mit 14 Jahren in der Werkstatt anzuheuern. Seinen Eignungstest beim Besitzer der Werkstatt bestand er, weil er beim Werkzeugputzen vollen Einsatz zeigte und quasi den Kopf in den Diesel steckte. Der Meister war wählerisch, denn damals gab es schon viele gute Mechaniker im Dorf. Aber Antonios Einsatz und die zusätzlich abgegebenen Liter Olivenöl der Mutter an den Meister führten zur heissersehnten Lehrstelle. Antonio lernte neben der eigentlichen Reparatur, auch seine eigenen Werkzeuge für diese herzustellen und so auf die kleinsten Details zu achten. Einen Lohn erhielt er dazumal für seine Arbeit nicht, denn wer damals die Chance hatte, ein Handwerk zu erlernen, sollte sich bereits glücklich wähnen.

Fotografie: Sven Germann

Ferruccio Lamborghini und Enzo Ferrari kannte er persönlich Mit 20 Jahren wollte Antonio dann doch Geld verdienen und wanderte, angeregt von einem Freund, in die Schweiz aus. Dieser schwärmte davon, dass man dort einerseits pro Stunde bezahlt würde und andererseits, dass man sogar mit einem Mädchen ausgehen könne, ohne die stets wachsame ganze Familie mitnehmen zu müssen. Das wollte Antonio selber herausfinden, verliess seine Mutter und seine Geschwister und brach 1960 Richtung Schweiz auf. Nach einem kurzen Intermezzo im Toggenburg in einer Textilfabrik versuchte er, in Zürich Arbeit zu finden. Er sprach schlecht Deutsch, und ein Diplom hatte er auch nicht vorzuweisen. Glücklicherweise bekam er aber die Chance zu beweisen, welche Fähigkeiten er in seiner Lehre in Italien erlernt hatte. Die Schweizer Mentalität gefiel ihm sehr gut, weil alles sauber und präzise verrichtet werden musste. So ist Antonio heute noch überzeugt: «Die besten Mechaniker gibt es in der Schweiz.» Er verfeinerte seine Automechaniker-Kenntnisse und lernte schliesslich auch seine Margret kennen, deren ersten Wagen er reparierte. Als Gegenleistung für die verrichtete Arbeit bat er sie um ein gemeinsames Abendessen. Seit 1966 sind die beiden bis heute ein unschlagbares Team. Margret war es auch, die ihn unterstützte bei seinem Wunsch, für Lamborghini zu arbeiten. Sie rief damals persönlich bei Karl Foitek an, dem damaligen Importeur von Lamborghini und später dann auch Ferrari, und ebnete den Weg für Antonios «Test-Vorarbeiten» in dessen Garage. Karl Foitek war sofort überzeugt und erkannte das enorme Potential. Antonio erweiterte seine Erfahrung kontinuierlich durch Kurse in Sant’Agata Bolognese, wo er sein Diplom höchst persönlich von Ferruccio Lamborghini unterzeichnet bekam (weil er zu dessen Erstaunen die Vergaser eines Miuras rein nach Gehör einzustellen vermochte), und später dann auch bei Ferrari im Hauptsitz in Modena.

Fotografie: Sven Germann

Wohlhabende und selektive Kunden Von Anfang an wurde Antonio von anspruchsvollen Kunden unterstützt, die ihn baten, sich um ihre Autos zu kümmern. Seine mechanischen Fähigkeiten und professionelle Zuverlässigkeit hoben sich weit ab von anderen. 1989 war dann der Zeitpunkt gekommen, sich mit einer eigenen Restaurationswerkstatt selbstständig zu machen. Die beiden Kinder, Renato und Sandra, waren zu diesem Zeitpunkt schon grösser, und so willigte auch Margret ein, die Selbstständigkeit zu unterstützen. Und das tat sie mit vollem Einsatz: Sie kümmerte sich um Korrespondenz, beschaffte Ersatzteile (die jeweils immer direkt bar bezahlt wurden) und handhabte die Kundenbeziehungen. Und bald schon sprach sich herum, was für gute Arbeit Antonio in seiner Garage leistete. Eines seiner Alleinstellungsmerkmale war seine Kompromisslosigkeit beim Restaurieren: Antonio suchte immer die ursprüngliche Lösung mit den ursprünglichen Materialien. Es gab keine Abkürzungen und es gab keine günstigeren Wege. Antonio wiederum akzeptierte nur Kunden, die diese Arbeit und Philosophie auch schätzten, und konnte sich schon sehr bald seine Kunden auch aussuchen. Zu seiner Klientel gehörten viele bekannte nationale und internationale Sammler. Es entstanden über die Jahre enge Beziehungen und Freundschaften, wie uns Antonio anhand seiner zahlreichen Fotos zeigt. Allerdings nahm er keine neuen Supercars an, seine Grenze sei aufgrund der zunehmenden Elektronik mit dem Ferrari F40 erreicht gewesen. Präzision für mechanische Meisterwerke Genauso präzis ging er bei den Restaurationen vor – nur zwei bis drei Restaurationen nahm er pro Jahr an. Die Sicherstellung der Qualität immer auf höchstem Niveau lag ihm am Herzen. Seine Erfahrung erlaubt es ihm, viele Probleme zu lösen – Probleme, die andere aufgegeben hatten. So erhielt er oftmals die Loyalität und die Bewunderung der Klientel. Er sei zwar nicht der einzige berühmte Restaurator in der Schweiz, der diese historischen italienischen Sportwagen so gut kenne, aber kaum jemand könne sich solch guter Beziehungen (zu den Muttergesellschaften von Ferrari und Lamborghini, aber auch zu ausgezeichneten Spenglern, Lackierern, Autoelektrikern und Sattlern) rühmen wie er. Es gibt viele prestigeträchtige Autos, die er über die Jahre betreute. Unter ihnen der Ferrari 250 GTO-Fahrgestell 4153 GT, der für 70 Millionen Dollar verkauft wurde, oder ein Ferrari 166 Spider Vignale, ein Ferrari 250 MM und dann Ferrari 500 Superfast, 400 Superamerica, 212 Barchetta, 250 Tour de France, 250 Spider California, 250 SWB, 512 BB LM etc. Der prestigeträchtigste von allen bleibt jedoch der Ferrari 500 F2, mit dem Alberto Ascari in den Jahren 1952 und 1953 die ersten beiden Formel-1-Weltmeistertitel für Ferrari gewann und dank jenem Antonio in den Club Meccanici Anziani F1 aufgenommen wurde. Eine Anerkennung, die nur sehr selten gewährt wird und auf die er verständlicherweise auch sehr stolz ist.

Wir stossen an auf den Maestro Antonio und auf seine liebe Frau Magret, auf ihre aussergewöhnliche Schaffenskraft und ihr beeindruckendes Lebenswerk. Eine glückbringende Tradition, die wir vor Ort kennengelernt haben, nehmen wir gerne mit: Der erste Schluck Prosecco kommt in den Kühler und der Korken unter das Lenkrad. Auf eine allzeit gute Fahrt!

Fotografie: Sven Germann

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